Dänemark 1997
Die Fortsetzung der Geschichte
Guten
Morgen Deutschland!
Eigentlich
ist es ein Tag wie jeder andere, wäre dort nicht genau diese waghalsige Gruppe
Soltauer Leichtathleten, die wir vor exakt 358 Tagen nach langer schwieriger
Reise bei ihrer Rückkehr in Soltau begrüßt haben. Was bewegt diese Menschen
in genauer Kenntnis der ihnen drohenden Qualen und Schmerzen dieses Abenteuer
erneut zu durchleben? Was steht ihnen bevor, werden wir sie gesund wiedersehen
und werden wir überhaupt alle wiedersehen?
Es
ist Samstag, der 22.03., 09.00 Uhr.
Hektisches
Durcheinander auf dem Therme-Parkplatz. Immer mehr und mehr Leute strömen dem
Bus entgegen und bringen den Busfahrer mit ihrem massenhaften Gepäck in arge
Bedrängnis. Hektische Trainer vermitteln den Eltern ein großes Gefühl der
sicheren Führung ihrer Kinder in den nächsten acht Tagen. Zu allem Überfluss
weisen einen eben diese Eltern auf eine herrenlos herumstehende Bierkiste hin,
deren Zugehörigkeit von den Gruppenleitern auf die Fußballer geschoben wird.
Bustür schließen - Abfahrt - linken und Tschüß. Bis zum eintreffen in Dänenmark
gibt es außer einem planlos wirkenden Grenzbeamten bei der Einreise keine
besonderen Vorkommnisse. Auch anschließend bekannter Ablauf. Hauseinweisung,
lockerer Lauf zum Strand und gemeinsames Abendbrot. Selbst abends fällt außer
Jan, der planlos auf der Suche nach einer Möglichkeit das aktuelle Sportstudio
zu sehen von Haus zu Haus irrt, niemand besonders auf. Die älteren pumpen noch
eine Runde ab. Dann wird's Nacht.
Es
ist Sonntag Vormittag.
Der
Wecker klingelt. Ein kurzer Blick aus dem Fenster, wir sind geblendet, aber
leider nicht von der Sonne. Es liegt Schnee und es fällt Schnee. Koordination
ist trotzdem. Der Wind weht uns eisig ins Gesicht. Mittagspause.
Es
ist Sonntag Nachmittag.
Uli
schreitet zum Krafttraining mit den älteren Aktiven. Insider streiten schon längst
über den Begriff des Krafttrainings. Wäre nicht der Ausdruck Körperstraffungsprogramm,
oder vielleicht sogar Problemzonentraining viel angebrachter? Aber ich glaube es
würde zu weit führen, dieses Problem heute noch ausgiebiger zu erörtern. Der
Rest schindet sich beim Dauerlauf. 20 Minuten, 40 Minuten oder 60 Minuten. Auch
hier tauchen Fragen auf. Hat Dierk sich mit Sarah und Claudia vielleicht die
falschen Partner zum Laufen ausgesucht? Abends ist allgemeiner
Spieleabend."Mensch ärger Dich nicht", mit einem seltsamen Regelwerk,
welches je nach Stand des Spieles immer mit neuen Regeln zugunsten Trainer
Lindemanns versehen wird. "Rage", ein anscheinend sehr einfaches
Spiel, bei dem auch blutige Anfänger ihre Chancen haben, oder auch Poker einem
illegalen Glücksspiel, bei dem die Nudel auch schon mal 5 Pfennig wert ist.
Ach, und zwischendurch lief ja auch noch Fußball, Karlsruhe-Bayer München,
alle haben es geschaut, aber eigentlich nur wenige hat's interessiert. Dann wird's
Nacht.
Es
ist Montag Vormittag.
07.45
Uhr. der Wecker klingelt. Zuerst noch etwas schlaftrunken, dann aber gleich
hellwach erkennt man aus Gesprächen aus dem Nebenzimmer sogleich wo man ist.
Von der rechten Seite hört man zum wiederholten Male den Fahrstuhl- und
Schlumpfwitz. Von links hört man wie Andre mit dem Gesäß zu uns liegend,
anscheinend in der Zwischenwand befindliche Hohlräume als Resonanzkörper
benutzt. Frühstück, dann geht's zum Strand. Erste Ausfälle verzeichnen wir
bereits auf dem Hinweg. Sprints, 3x10x60 Meter volles Tempo. Insgesamt 1800m
purer Sprint. Hart, aber eigentlich nicht unfair, was die Trainer sich dort
wieder haben einfallen lassen. Dann der Versuch die Mittagspause zu genießen.
Einige spielen Alf, für Schlafende klingt es eher wie Stühlerücken.
Es
ist Montag Nachmittag.
Kurzes
einlaufen, ein wenig Sprungtraining, dann gemeinsames Fußball spielen. Auf
engstem Raume sind Techniker gefragt. Mario beweist mit einer Grätsche gegen
Jan gleich einmal, dass er eher der Mann fürs Grobe ist. Ansonsten läuft das
Spiel außer einem kurzen Knockout und dem albernen Duell von Thorsten mit Uli
ziemlich belanglos ab, was sich nicht zuletzt an der technischen und taktischen
Überlegenheit eines Teams lag. Trainingsende.
Abendliche
Idylle. Auch der letzte trainingswillige Holger M. aus D. trifft ein, da taucht
natürlich eine Frage auf. Wird Herr Kanther auch nächste Woche noch
Bundesinnenminister sein, oder sind seine Chancen sogar gestiegen?
Pfannkuchen
essen-Abendrunde-. In kleinem Kreise erfährt man interessante Details über
viele Leute. Alte Geschichten, Neuigkeiten und viel Klatsch. Weitere Details
unterliegen hier der Schweigepflicht. Es wird Nacht.
Es
ist Dienstag Vormittag.
Nach
einer leicht gestörten nacht durch spät, bzw. eher früh heimkehrende
Hausgenossen ertönt der Wecker. Eigentlich erstaunlich, das dieses bei dem
Schnarchen des Zimmerkollegen nebenan überhaupt wahrnehmbar ist. Ein Blick in
den Wohnraum, Uwe pennt auf dem Sofa, dem war es wohl auch zu laut. Frühstück,
die Sonne scheint, lockeres Training am Vormittag. Die älteren trainieren am
Strand, ein wenig Koordination und Stabilisation, die jüngeren wärmen sich
locker mit einem Zirkel auf und machen dann Wurftraining. Mittagspause- alle
haben schon die Nachmittagstrainingseinheit im Kopf- jeder jammert, aber keiner
findet die passende, die Trainer überzeugende Ausrede zur Nichtteilnahme.
Es
ist Dienstag Nachmittag 15.30 Uhr.
Trainingsbeginn.
Lockeres einlaufen, Gymnastik und ein wenig Koordination. Dann geht's los. 8x300
Meter und das auch noch mit Gegenwind. Fast alle halten durch und jeder ist im
Nachhinein mit sich zufrieden. Hat dann doch mal wieder Spaß gemacht.
Tortellinis und Spargelcremesuppe zum Abendbrot. Anscheinen werden alle satt. Trügerische
Ruhe am Abend, dennoch kehren einige erst am frühen Morgen zu ihrem Schlafplatz
zurück und erzählen von Bankdrücken bis zum bitteren Ende. Holger wird wie
erwartet der "Stangenkönig". Dann wird's Nacht.
Es
ist Mittwoch Vormittag.
Heute
ist nur einmal Training, dennoch sehen einige ganz schön alt aus. Ein paar
jammern, betteln um Trainingsbefreiung, aber jammern gehört ja bekanntlich zum
Geschäft. Lockeres Fahrtspiel, einige finden dieses Spiel gar nicht lustig,
setzen sich frühzeitig ab. 2 Serien Tempobelastung zum Ende, jeder kommt auf
seine Kosten und auch die Letzten werden wach. Gruppenbild-trainingsfreier
Nachmittag.
Es
ist Mittwoch Nachmittag.
Die
Trainer holen Lebensmittel und Getränkenachschub. Aber nicht jeder Wunsch auf
dem Einkaufszettel findet Erfüllung, ansonsten eher ruhiger Nachmittag.
Schwimmen, Karten zocken, Mensch ärger Dich nicht spielen oder Bankdrücken.
Sarah scheitert kläglich bei dem versuch es Trainer Lindemann gleich zu tun.
40kg werden als gültig verzeichnet. Auch andere Aktive können nicht an die
Leistung der Vornacht anknüpfen, vielleicht ist es für Bestleistungen einfach
noch zu früh. Auch der Abend verläuft allgemein recht ruhig. Marianne
entwickelt sich zur Königin des Dame-Spiels, wird aber später von Sarah abgelöst.
Thorsten verliert beim Schach mit seiner Offensivtaktik gegen Henne, den
Strategen und einige hauen sich beim Schlafmütze spielen die Finger platt. Dann
wird's Nacht.
Es
ist Donnerstag Vormittag.
Ein
Blick aus dem Fenster. Strahlender Sonnenschein, nur etwas windig. Eigentlich
herrliches Trainingswetter. Kurz waschen, Frühstück, Uwe hat sich zum
wiederholten male in Null-Komma-Nichts in seine Jeans gezwängt. Ist schon
bemerkenswert dieses Tempo.
Vormittagstraining.
Voller Freude und Tatendrang schreiten die älteren Aktiven zur zweiten
Krafttrainingseinheit. Kniebeugen, Ausfallschritte. Einige versuchen über den
vor dem Haus befindlichen Erdwall zu springen, scheitern aber immer wieder kläglich
und landen mitten oben drauf. Kurze Sprungläufe, ein paar Sprints, der Rest
macht Wurftraining. Einige quälen die Speere und Disken ganz enorm.
Mittagspause.
Eigentlich
herrscht überall andächtige Ruhe, Uli war es trotzdem zu laut und besetzt in
ganzer Länge und Breite das Sofa der Mädchen. War er wirklich müde, hat er
die Müdigkeit nur vorgetäuscht, oder musste er sich auf die bevorstehende
Nacht vorbereiten? Wer weiß.
Es
ist Donnerstag Nachmittag.
Jetzt
noch ein letztes Mal richtig quälen.3x10x50-80m Sprint. Der Wind weht kräftig
von hinten und erleichtert die Sache enorm. Super Zeiten, nur wenig Ausfälle.
Gulaschsuppe und Nudeln zum Abendbrot. Heute Nacht wird's überall spät. Einige
spielen Montagsmaler und Pantomime raten. Marianne macht es Mitspielenden nicht
leicht ihre Gedanken in Bilder umzusetzen.
0.00
Uhr. Man denkt endlich wird es ruhig. Es regnet in Strömen. Plötzlich
Scheinwerfer auf dem Hauptweg. Hektisch laufen, nein sprinten Menschen an
unserem Haus vorbei in Richtung Supermarkt und kehren kurze Zeit später zurück.
Was bewegt diese Menschen um diese Zeit hier entlang zu laufen? Haben sie sich
in der Zeit vertan und wollten Brötchen holen, haben sie ihre Badekappe im
Schwimmbad vergessen, oder stammen sie von der Gruppe, die schon die ganze Woche
einen leicht verwirrten Eindruck hinterlassen hat. Es wird Nacht.
Es
ist Freitag Vormittag.
Heute
ist letzter Trainingstag. Aktive berichten von spät, bzw. erneut früh
heimkehrenden Mitbewohnern. Dennoch sehen alle, auch Julia nach den Strapazen
der vergangenen Nacht
unerwartet
frisch aus. Lockerer Aufgalopp, ein wenig Koordination, Dauerlauf und überall
schon geistige Vorbereitung auf den Nachmittag. Zerrungen, Schienbeinschmerzen,
Bauch- und Magenschmerzen, viele Entschuldigungen werden gesucht, aber keine von
den Trainern angenommen. Unaufhörlich rückt der entscheidende Zeitpunkt näher.
Einige Hennes sind übernervös und laufen schon seit Stunden im Haus auf und
ab.
Es
ist Freitagnachmittag.
Einlaufen-Mannschaftseinteilung-Streckenbeschreibung.
Dann geht's los. Uwe schmeißt sich bereits beim ersten Staffelwechsel voller
Inbrunst Julia entgegen und fällt auf den Bauch. Kurzer Adrenalinstoß bei den
Trainern, aber Uwe kann weitermachen. Packendes Duell an der Spitze und das Außenseiterteam
um Stefan Kratz gewinnt. Alle sinken erschöpft ins Gras. Keiner will eine
Zugabe, obwohl die Trainer natürlich auch dafür präpariert waren. Duschen,
schwimmen, Abendbrot. Anschließend gemeinsamer Abschlussabend. Unnötige Reden
der Trainer, Vorführungen, neue und bekannte Spiele runden den Abend ab. Dann wird's
Nacht.
Es
ist Samstag, der 29.03.97
Ein
letztes Mal gemeinsam frühstücken, Sachen packen, aufräumen und dann geht's
nach Haus. Die meisten wären gerne noch ein wenig geblieben, aber irgendwie möchten
ja auch die Trainer mal wieder schlafen. Und wenn nichts ganz umwerfendes
passiert, wird es auch heute wieder Nacht in Dänemark.